Veloreisende sind wie Magnete die sich gegenseitig anziehen. Zumindest fast: in Uyuni trafen wir (endlich) Maurizio Ceraldi (Link zu seiner Homepage) aus Basel und mit ihm gleich zwei weitere Velöler aus Frankreich. Laura und Pierre (Peterli ;- ) ) waren schon ein paar Wochen mit Maurizio zusammen unterwegs. Beim gemeinsamen Nachtessen kam sofort das Thema Lagunen-Route zu Gespräch. Sabine und ich sagten uns während den Torturen der vergangenen Wochen, dass die anspruchsvolle Lagunen-Route nichts mehr für uns ist… bald kitzelte es uns aber doch, die ca. 500 km lange Strecke durch Südwestbolivien zu fahren. Diese Route wird vor allem von Touristen-Jeep’s befahren. Dabei gleicht das eher einer Hetze von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten (so konnten wir’s dann später täglich, belustigt beobachten). Per Velo fordert die Strecke einiges: die Pisten sind schlecht, steinig, sandig und häufig herrscht starker Wind. Zudem führt der Weg durch die Lagunen über einen Pass von 4900 müM und die Strecke liegt mehrheitlich auf über 4000 müM.. Die landschaftlichen Schönheiten, gepaart mit der Tatsache, dass wir zu fünft in einer lustigen Gruppe reisen konnten, reizten uns aber dann doch so fest, dass wir uns plötzlich beim Einkaufen von jeder Menge Esswaren und Snickers wieder fanden.
Da auf der Strecke sehr wenige und nur einfachste Einkaufsmöglichkeiten zu finden sind, mussten wir Essen für ca. 12 Tage mitnehmen. Glücklicherweise konnten wir die Esswaren mit zwei Paketen unterwegs deponieren lassen und so mit etwas leichterem Gepäck fahren als wenn wir alles selbst mitschleppen hätten müssen. Einer der Tourenanbieter erklärte sich bereit die Pakete zu deponieren.
Wir genossen die restliche Zeit in Uyuni und erholten uns, assen viel und brachten unsere Lastesel wieder auf Vordermann.
Dann gings los. Am letzten November-Sonntag starteten wir und machten uns auf in Richtung Cimeterio de Trenes von Uyuni. Der Eisenbahnfriedhof bietet jede Menge Motive für Fotografen. Nach entsprechend langer Foto-Session machten wir uns endgültig auf entlang der Eisenbahnlinie westwärts zu fahren. Der Kennenlern-Tag funktionierte so, dass jeder mit jedem etwas das Was, Wie, Woher usw. austauschte und bald merkten wir, dass die Fünfergruppe gut harmonierte. Einer war immer der vorderste und einer immer der hinterste… mehrheitlich abgestuft nach Gepäckgewicht 😉
Ab San Juan, wo wir noch in einem reizvollen Salzhotel übernachten konnten, gings dann richtig los. Bald führte die Route weg von der Bahnlinie und ab in die ersten Steigungen. Und just auf dem ersten Pass überraschte uns ein Gewitter. Waren das Vorboten der kommenden Regenzeit? Mussten wir uns auf Schlamm und Schnee einstellen oder gar in ein paar Tagen die Übung Lagunen-Route abbrechen weil’s doch zu spät im Jahr war?
Die Befürchtungen waren umsonst. Schon am selben Abend konnten wir in der Abendsonne und mit Blick auf den Vulkan Ollagüe zelten.
Am vierten Tag seit Uyuni konnten wir endlich die ersten Lagunen bewundern. Beim Mittagessen an der Laguna Cañapa staunten wir über die vielen Flamingos und über deren schönes Flugbild im wilden Andenwind und am Abend sahen wir bei der Laguna Hedinoda noch viel mehr der rosa Vögel. Eigentlich sollte unser erstes Fress-Paket in der Ecolodge Los Flamingos auf uns warten. Erschrocken stellten wir fest, dass zunächst niemand von einem Paket für Velofahrer wissen wollte. Maurizio konnte aber bei einem Chauffeur „unserer“ Liefer-Firma ausfindig machen, dass das Paket von Süden her, also entgegen unserer Fahrtrichtung auf uns zu kommen sollte. Wir assen die Notportionen zum Znacht und hofften auf den nächsten Tag.
Trotz etwas betrübten Mienen wegen des fehlenden Päklis, konnten wir einen gemütlichen Abend bei der Ecolodge verbringen. Wir wurden schon bei unserer Ankunft mit Kuchen und Fruchtsaft verwöhnt und später durften wir im Esssaal unsere Mätteli auslegen. Eine wirkliche Erleichterung bei viel Wind und sehr kalten Temperaturen. Wir fragten uns wie wohl die Flamingos die kalten Nächte überleben können!?
Der nächste Tag begann für mich mit einem Schlauchwechsel nach einigen Kilometern. Die Steine der vorderen Tage hatten ihre Spuren hinterlassen. Währenddem ich nochmals alles Gepäck ablud und den Schlauch ersetzte, machten sich die andern vier schon mal auf und radelten dem Päkli entgegen. Wir nahmen uns vor alle Jeep’s anzuhalten und nach unserem Futter abzuklappern. Ein nicht ganz einfaches Vorhaben weil die Strassen in dieser Region eigentlich keine Strassen sind sondern einfach mehr oder weniger befahrene Fahrspuren in der Wüste oder Pampa. Teilweise verteilen sich diese Spuren auf einer Breite von über einem Kilometer. Wir mussten nicht lange und viele Jeep’s anhalten. Schon bald hielt einer freiwillig bei uns und lud unser Paket mitten in der Pampa aus. Für uns ein Freudenfest, für die Fahrer und die mitfahrenden Touristen eine Gelegenheit um jede Menge Fragen zu stellen und Fotos zu schiessen.
Mit vollen Sagoschen gings weiter, vorbei an den Lagunen Negra und Honda. Stets aufwärts und auf verhältnismässig guter Piste welche mehrheitlich fahrbar war. Kurz vor Mittag dann ein komisches Gefühl. Maurizio stand mitten auf der Piste und teilte uns mit, dass sich seine Kurbeln nur noch schwer drehen liesen. Nach ein paar Metern weiterer Fahrt ging gar nichts mehr. Das Pinion-Getriebe war blockiert. Was nun? Auf den ersten Blick konnten wir nichts sehen was die Kurbeln blockiert. Maurizio stoppte einen Tour-Jeep und fragte ob eine Mitfahrgelegenheit nach Uyuni frei wäre. Der Chauffeur wollte ihn aber nur bis zur Laguna Hedionda mitnehmen. Währenddessen entdeckte ich einen losen Lagerring und fragte mich, ob wir den vielleicht mit meinem Stiftschlüssel wieder festziehen konnten und damit das Getriebe wieder leichtläufig bringen würden. Nach einigen Diskussionen entschied sich Maurizio, die Gelegenheit mit dem Jeep auszulassen und nach mehreren Versuchen konnten wir den Lagerring festziehen. Und siehe da, die Kurbel liess sich wieder ohne Probleme drehen. Wir freuten uns riesig, dass die Reise für Maurizio weiter gehen konnte und nicht urplötzlich durch den Getriebe-Defekt zu Ende war.
Der weitere Weg bis zum Hotel Desierto, wo wir im Windschatten eines Aussenhauses zelten konnten, stieg stetig bis auf 4500 müM. an und die letzten 10 km waren eine Tortur. Sand, Wellblech und Wind vermiesten uns etwas den Tagesabschluss. Zumindest vorerst. Die Ankunft am Tagesziel liess ziemlich rasch das Leiden der vergangenen Stunden vergessen und spätestens nach dem Nachtessen im Windschutz des Zeltes war die Welt wieder in Ordnung.
Der nächste Tag fing mit einer Schiebe-Stunde an und wir waren uns bei einer ersten Pause alle einig, dass die Kurze Tagesetappe bis zum Arbol de Piedra willkommen war.
Die Strecke wurde bald besser fahrbar und wir erreichten den Baum aus Stein schon kurz nach Mittag. Nudelsuppe kochen, essen, Jeep-Touristen beobachten und jede Menge Fragen derselben beantworten, das waren unsere Nachmittagsbeschäftigungen beim Arbol de Piedera. Natürlich fehlten auch nicht die Fotoaufnahmen vom Stein und von der skurrilen Umgebung. Wind und Sand haben die Steinplatten an diesem Ort zu schönen Gebilden geschliffen.
Auf der ganzen Lagunen-Route trafen wir immer wieder Takzou und zwei andere Japaner an. Die drei waren ebenfalls mit dem Velo unterwegs und schleppten nochmals vielmehr Gepäck durch die trockene Gegend als wir das taten. Die drei kämpften sich mit unbändigem Willen durch den Sand und die Berge hoch.
Nach den anstrengenden Tagen waren sich fast alle einig, dass wir an der Laguna Colorada einen Tag Pause einlegen und uns und unserem Material auch den einen oder anderen Tropfen Wasser gönnen sollten. Dementsprechend wurde die nächste Tagesetappe vom Arbol de Piedra an die Laguna Colorada ruhig angegangen. Die Kilometerzahl und auch die Höhenmeter waren gering.
In einem netten Hostal schlugen wir uns dann den nächsten Tag beim Essen, Waschen und Putzen des Materials um die Ohren. Der Staub in der wüstenähnlichen Region der Lagunen-Route hatte seine Spuren überall hinterlassen.

Im Staub der Touren-Jeep’s
Nach dem Ruhetag machten wir uns dann auf zum Piece de Resistance, dem Aufstieg auf den 4900 m hohen Pass auf welchem die Geysir-Landschaft „Sol de Mañana“ liegt. Es sollte der wohl härteste Tag auf unserer 12-tägigen Fahrt werden. Morgens freuten wir uns noch über eine gut fahrbare Strasse und einige Kilometer nach der Laguna Colorada konnten wir bei einem Hostal fernab von der „Hauptpiste“ unser zweites Paket in Empfang nehmen und unsere Essensreserven wieder auffüllen. Die Rückkehr auf die „Hauptpiste“ wurde dann aber schon zu einer 5 km langen Schiebe-Übung durch Sand. Der nachfolgende Aufstieg auf die „Gipfelhöhe“ war danach ziemlich angenehm. Leider folgte aber dann nach erreichen von knapp 4900 müM. ein gnadenloser Kampf mit der schlechten und sandigen Wellblechpiste und vor allem dem starken Gegenwind. Schlimmer kommts nimmer und wir erreichten dann wirklich gegen Abend die Geysire von „Sol de Mañana“. Eine eindrückliche Landschaft mit vielen blubbernden und dampfenden Schlammlöchern und einigen Dampffontänen. Wirkliche Geysire haben wir vermisst, dafür dann beim Kochen, Essen und Schlafen umso mehr den warmen Boden unterm Zelt genossen. Plötzlich mussten wir die Schlafsäcke öffnen statt schliessen und unser Gemüse im Vorzelt wurde auf dem warmen Boden gegart.
Die Stimmung am danach folgenden 10. Tag auf der Lagunen-Route war gelöster als sonst. Wir hatten die wohl anspruchsvollsten Streckenteile gut gemeistert und zudem wussten wir, dass am Nachmittag und somit am nächsten Übernachtungsort eine Lagune mit Thermalbad auf uns wartete. Wir genossen es ungemein, die müden Beine und die staubigen Köpfe im warmen Wasser bei der Laguna Chalviri entspannen zu können. Das wir im dortigen Restaurant kochen und in der „Gaststube“ übernachten durften und dabei mit Rudi und seiner Mutter, der Leiterin des Restaurants, lustige Gesellschaft hatten, trug umso mehr zum gemütlichen Aufenthalt bei.
Zu den Tourenanbietern und den Touren-Jeep’s und Touren Teilnehmern hatten wir ein etwas gespaltenes Verhältnis. Einerseits erleichterten uns die transportierten Pakete das Reisen in der schwierigen Gegend sehr und andererseits puderten uns die vorbeirasenden (nicht alle rasten 😉 ) Jeep’s jedes mal mit Staub. Zudem nervten uns teilweise die banalen Fragen der Touristen (ich weiss, wir waren und sind auch so etwas wie Touristen): „wie viele Platten hattet ihr schon?“, „wieviele Kilometer seid ihr schon unterwegs?“, „seid ihr noch nie ausgeraubt worden?“, „ist das nicht gefährlich?“, „ist das ein Elektromotor?“….. Wir schätzten es jedoch sehr, wenn uns eben diese Touristen ein paar Büchsen Bier oder eine Flasche Wasser überliessen oder uns am Morgen nach ihrem Morgenessen, die übrig gebliebenen Brötchen zusteckten.
Von der Laguna Chalviri gings für uns fünf weiter in Richtung Laguna Blanca und Laguna Verde. Wir fuhren nochmals durch eindrucksvolle Landschaft an der Desierto Dali vorbei und passierten unseren zweitletzten Pass auf der Route. Kurz vor Erreichen der Laguna Blanca konnten wir für einmal erleben was es heisst mit starkem Rückenwind unterwegs zu sein. 25 km/h ohne eine Pedalumdrehung: „das fägt!“. Alte Hausmauern gaben uns am Abend den nötigen Windschutz und Sonne und Himmel spielten wieder einmal ihr schönstes Animationsprogramm.
Die letzte Tagesetappe führte uns zwischen der Laguna Blanca und der Laguna Verde hindurch. Die grüne Lagune erhält ihre Farbe von den im Wasser enthaltenen Mineralien wie Magnesium, Calciumcarbonat, Blei und Arsen. Je nach Windstärke durchmischt der Wind Wasser und Mineralien unterschiedlich. Dadurch entstehen unterschiedliche Grüntöne.
Kurz nach den Lagunen konnten wir unser letztes Paket übernehmen. Wir hatten unser „überflüssiges“ Material ans Ende der Lagunen-Route senden lassen, um so möglichst leicht reisen zu können.
Mit vollen Sagoschen und „schwerem“ Velo gings dann hoch in Richtung Bolivianisch-Chilenischer Grenze. Der starke Gegenwind liess uns auf der leicht ansteigenden Piste nochmals schwitzen. Ins Schwitzen kam ich dann am bolivianischen Zoll auch nochmals, als mir der Zöllner mürrisch vorwarf, dass mein Einreisezettel im Pass fehle. Ich war und bin heute noch überzeugt, dass dieser im Pass sein musste…glücklicherweise hatten wir den Zettel mitsamt Pass bei der Einreise nach Bolivien fotografiert und ich erhielt dann den Ausreisestempel trotzdem ohne grössere Probleme.
Noch einige Kilometer auf Teerstrasse! hochfahren auf gut 4700 müM. und dann kam die lange ersehnte Abfahrt nach San Pedro de Atacama. 40 km und 2200 Höhenmeter runter sausen am Stück. Und tatsächlich waren wir nach einer guten Stunde schon in der Wüstenstadt. Eine Oase in mitten der Atacamawüste. Nicht sonderlich schön aber voll von allen Annehmlichkeiten welche wir uns nach 12 Tagen in Staub, Sand, Kälte, Hitze und vor allem wunderbarer Landschaft gewünscht haben…
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[…] diesem Frühling in Südamerika unterwegs sind (hier ihr Bericht und ihre Fotos zur Lagunenroute: http://www.siempre-pedalar.ch). Wir sind seither in Kontakt und nun habe ich sie endlich eingeholt, nicht zuletzt, weil sie […]